Dieser Spaziergang startet in Hackney Witt, mitten in einer kleinen Stadt. Erst nachdem ich fünf Minuten vor mich hin gelaufen bin, merke ich, die Gegend kommt mir bekannt vor. Ja, da hab ich vor Wochen mal einen anderen Spaziergang beendet und ich erinnere mich, dass ich mir überlegte, ob ich nicht einfach weiterlaufen soll. Genau hier beginnt es wieder. Nochmals komme ich über die Brücke des Flusses "Lee Navigation", wo spitze Steine wie Scherben aus dem Abschluss der Brückenwände schauen. Diesmal geht es aber weiter nach Norden, entlang des "Lee Navigation".
Schon nach wenigen hundert Metern merke ich, es ist Hausboothochsaison. In einer Reihe stehen sie da, brav eins nach dem anderen und man sieht immer wieder einen Fuss oder einen Arm irgendwo unter Deck liegen. Es wird das Boot geschrubbt, Velos ein - und ausgeladen, das Boot bemalt, gegärtnert oder einfach am Fluss gesessen und ins Weite gestarrt. Sommer in London....
Warum aber die Hausbootbesitzer genau hier den Sommer verbringen, geht mir nicht ganz in den Schädel.... so schön ist dieser Kanal nun auch wieder nicht. Klar, praktisch, wenn man mal wieder einkaufen muss oder Wäsche waschen... aber sonst... na ja.
Ich laufe also entlang von hunderten von Hausböötli und zuerst an einer Sportanlage entlang und dann durch das Hackney Marsh. Sehenswert ist ein kleiner Teil etwas Fluss aufwärts, die Middlesex Filter Beds. Das ist eine alte Kläranlage, wirklich sehr alt, wo man quasi Becken gebaut hat und wartete bis der Dreck sich setzte bevor man das Wasser wieder in die Themse auslaufen liess. Das ganze ist sehr clever angelegt und heute ein Naturpark. Die Kläranlage wird als Teiche benutzt und es hat sich eine merkwürdige Natur entwickelt, so halb Sumpf und halb Wald, aber man sieht immer noch die Beton- oder Mauerumrandungen. Irgendwie seltsam aber spannend.
Ich wandere weiter dem Kanal entlang, durch das Lamas Meadow und Richtung einer Eisenbahnbrücke. Auch hier ein Naturschutzgebiet mit einer eigenartigne Gras- und Strauchlandschaft. Nach der Eisenbahnbrücke stehe ich in den Walthamstow Marshes, wieder eine Sumpflandschaft. Es ist brechend heiss und kein Baum weit und breit, nur ziemlich ausgetrockneter Sumpf. Gras und ein paar Kühe. Eine spezielle Rasse, die mit diesem Klima offenbar besser zurecht kommt als ich. Ich sehe weit in die Ferne und mein Weg, führt weiter durch die Hitze des Tages. Äääächz. Am Kanal sind immer noch ein Hausboot am anderen und dazwischen mal Ruderclubs wo Kinder in Kajaks spielen. Baden tut auch hier niemand... und wenn man ins Wasser sieht, das teilweise voll Abfall und Dreck ist und komplett voller Algen, versteht man sofort warum. Dann endlich bin ich durch das Marsh hindurch und komme wieder in schattigere Gefilde. Ich laufe quer durch einen Hafen und lösche meinen Durst in einem kleinen Kaffee, das auch die Heimat von ein paar Drögelern ist, die fröhlich aber mit Armen übersäht mit Einstichnarben Eis und Drinks verteilen. Nach kurzem Nachfragen, finde ich heraus, dass das Kaffee zu einer Wohngruppe von Drögelern gehört, die hier ihren Entzug beenden und als Belohnung für gute Taten im Kaffee mitarbeiten dürfen.
Nach etwas ausruhen, mache ich mich auf den Rückweg auf der anderen Seite des Kanals, durch ein Wohngebiet und ich finde noch eines dieser herrlich typischen englischen Pubs, wo die halbe arbeitslose Bevölkerung ihren Tag verbringt. Zum ersten Mal lässt mich mein Reiseführer im Stich, "man soll gleich nach der Eisenbahnbrücke" links gehen... würd ja gerne, hab aber noch einen Kanal dazwischen.... und ich komme nicht über die Eisenbahnbrücke, die ist verammelt und mit Stacheldraht gesichert. Na ja, so spaziere ich zur nächsten Brücke und versuche den Weg wieder zu finden. Nach einer Eishalle und einer Autoschnellstrasse, finde ich den Weg wieder und werde für mein Suchen belohnt. Ich gehe dem natürlichen Lea River entlang, auf Trampelpfaden quer durchs Gebüsch und man fühlt sich komplett im Grünen und vor allem mal wirklich allein.
Keine Hausboote, rein gar nichts. Herrlich. Zufrieden kurve ich um hüfthohe Brennesseln rum und weiche dicken Ästen aus. Dann treffe ich doch noch eine Person an, einen Herr, der sorgenvoll auf drei junge Schwäne blickt und mir selbst gepflückte Kirschen anbietet. Er komme jeden Tag hier her um Kirschen und Brombeeren zu holen. Die drei Schwäne hätten ihre Eltern verloren und seien am verhungern, er wisse nicht wen er anrufen solle, die Gemeinde interessiere es nicht. Wir erzählen ein Weilchen und dann geht jeder seines Weges...
Müde und zufrieden komme ich zurück nach Hackney Witt, wo ich mich nach einem super guten Glace in den Berufsverkehr einreihe und gequetscht wie eine Sardine in der Overground und U Bahn nach Hause tuckerle. Na dieses eine Mal war ich wohl die Ursache des leichten Schweissgeruches rund um mich... aber sorry, es war einfach etwas eng...
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