Am Freitag hat es angefangen zu schneien! Juhu! Und der Schnee blieb liegen. Das erste woran ich gemerkt habe, das etwas anders ist wie normal: mein voller Terminkalender vom Freitag Nachmittag löste sich auf wunderbare Weise in Luft auf. Ein Termin nach dem anderen wurde abgesagt, verschoben und umgebucht. Dem Geheimnis kam ich so langsam auf die Spur nach einem Telefonat mit einem meiner Vorgesetzten, der einen Termin absagte, weil es schneit und er nach Hause müsse. Meine Reaktion war ungläubiges Kopfschütteln und weiterarbeiten. Ich hab mich über die Freitagsmoral gewundert und hab mir gedacht, der war wohl zu lange im Pub gestern Abend...
Später, nach einem Auswärtstermin zurück im Büro war es es merkwürdig, das Büro war fast leer. Normalerweise findet man kaum einen Schreibtisch um zu arbeiten und jetzt wirkte alles so entspannt und gelöst. Natürlich war der Schnee das Gesprächsthema Nummer eins. Erst nachdem ich mehrere Gespräche belauscht hatte, fiel der Groschen. Die Leute fuhren nach Hause, so lange Zug, Bus und Tube funktionierten, da sie Angst hatten, sie kämen später, wenn es mehr Schnee hätte, gar nicht mehr nach Hause.
Ein Blick auf die Verkehrssituation im Internet bestätigte meine Vermutung. Ein kleines Chaos war ausgebrochen. Züge fuhren nur noch teilweise, es gab zahlreiche Unfälle, da Engländer ja mit Sommerpneus unterwegs sind und die U-Bahn war auch nur noch so halb einsatzfähig. Endlich war es im Grossraumbüro mal etwas ruhig und da ich zu Fuss unterwegs bin, hab ich amüsiert vor mich hingegrinst und die ruhigen Stunden genutzt.
Als ich am Abend vom Büro nach Hause lief, habe ich sogar freiwillig Kappe und Handschuhe montiert. Es schneite wie verrückt und der Wind pfiff so grausam um die Ohren, dass kaum jemand länger als unbedingt nötig draussen verweilte. Keine Missverständnisse, das war kein Schneesturm mit dichten weichen Flocken sondern ein komisch kaltes Geniesel, halb Schnee, halb Regen. Trottoirs werden hier nicht geräumt, verständlich, da anderes Priorität hat. Die Anzugmenschen in ihren profillosen Schuhen und mit den obligaten Stöckelschuhen, schlitterten hilflos in der Gegend rum. Meine Turnschuhe waren nicht mehr optimal. Ich war froh endlich in der warmen Stube zu sitzen und richtete mich auf einen gemütlichen Abend zu Hause ein. Doch oha - plötzlich sass ich im Dunkeln - meine Heizung, da elektrisch, machte auch keinen Wank mehr - Stromausfall! Nach 15 Minuten im Dunkeln, ich habe natürlich weder Taschenlampe noch Kerzen im Vorrat, war ich leicht beunruhigt und hab mal meinen Kopf in den Gang rausgestreckt um zu sehen ob irgendwer da war. Niemand zu sehen und auch kein Geräusch zu hören... Komisch...
Der Stromausfall schien keine Menschenseele in meinem Haus zu beunruhigen und auch in meinem Nachbarhaus herrschte Dunkelheit. Ein freundlicher Nachbar, der verzweifelt versuchte ins Haus zu gelangen - unsere Eingangstür wird auch elektronisch gesteuert - hab ich reingelassen und er hat mit den Achseln gezuckt, meinte "power -cut" und ist die Treppe hochgestiegen. Ich schloss daraus, dass Stromausfälle nicht ganz ungewöhnlich sind und ging zurück in meine Wohnung und harrte der Dinge. Nach einer Weile war der Spuk vorbei und Licht und Heizung wieder da.
Samstag war immer noch grau in grau. Das Bild oben habe ich um drei Uhr nachmittags aufgenommen, aber es fühlte sich schon wie Abend an. Trotz dem miesen Wetter hatten viele Engländer jetzt Frischluftdrang. Die Kinder wurden nach draussen geschleppt und hier und dort wurden zaghafte Versuche gemacht, Schneemänner zu bauen. Bei knapp 3cm Schnee ein recht hoffnungsloses Unterfangen. Nichts desto Trotz scheinen sich die Leute am Schnee zu freuen.
Ich finde die Stimmung zur Zeit eher düster und dunkel. Die Stadt wirkt so schäbig und mausgrau in diesem Wetter und mit dem Schnee. Man sieht kaum 200m weit. Kein Vergleich mit dem Gefühl, wenn es in den Bergen schneit und am nächsten Morgen die Sonne rauskommt und alles glitzert und der Schnee strahlt. Wenn hier die Sonne überhaupt raus kommt, steht sie tief unten am Horizont und hat fast keine Kraft. Obwohl die Temparaturen selten unter 0 Grad sind, fühlt es sich kalt an und selbst ich ziehe freiwillg zwei Pullover an und hab so Eisklötze als Hände, was für mich eine ganz neue Erfahrung ist. Wohnungen und Büros sind nicht optimal beheizt oder schlecht isoliert. Es gibt Tage da sitze ich mit Mantel im Büro, weil die Innentemparatur irgendwo bei 16 Grad hängt. Die Dunkelheit kommt bereits um vier Uhr nachmittags zurück und tut ihr übriges!
Mmmmh, da hat wohl wer ein bisschen Heimweh...
Ich hoffe der Sommer wird dafür umso heller.