Sonntag, 10. März 2013

Bus fahren

In London gibt es tausende von diesen roten Doppelstöckern, sie sind beliebtes Verkehrsmittel, da relativ günstig und unkompliziert, - wenn man mal den Bogen raus hat.
Ich war am Anfang sehr skeptisch, denn das englische Busnetz ist so chaotisch wie wenn eine besoffene Spinne Amok gelaufen wäre und man sieht die Busse eigentlich dauernd im Verkehrsstau stehen. Benno hat mich dann sanft überredet, mal auszuprobieren und um an gewisse Orte zu kommen, blieb mir gar keine andere Wahl rauszufinden, wie das funktioniert.
Unterdessen bin ich rege Busbenützerin, vor allem Abends, ist es für mich die schnellste und günstigste Möglichkeit nach Hause zu kommen, ohne dass ich noch eine halbe Stunde um Mitternacht durch die Stadt laufen muss und ich habe die Bushaltestelle wirklich direkt vor meinem Haus.
Am Morgen vermeide ich den Bus, wenn es geht, dann ist es wirklich eine Qual. Meistens stehen an die 20 Personen an der Haltestelle und man darf ja nur vorne einsteigen und das dauert. Dann geht es um die Entscheidung, will man lieber oben sitzen und nie mehr rechtzeitig oder unfallfrei aus dem Bus rauskommen oder quetscht man sich unten rein und steht irgendwo im Weg und versucht sich fest zu halten.
Wegen des Fahrstils der Busfahrer müsste man eigentlich "Benützung auf eigene Gefahr" dranschreiben. Normalerweise ist er einfach ruppig. Sobald die Türen zu sind wird aufs Gas gestampft und mit Volldampf bis zur nächsten Haltestelle oder zur nächsten Ampel gerötzt. Wenn dann rote Ampel oder Haltestelle in Sicht ist, bremst man nicht sanft ab und kommt zum Stehen, nein man wartet bis man die erste Stange der Bushhaltestelle passiert hat und tritt dann voll auf die Bremse. Festhalten ist also angesagt und am Besten kein Gepäck, sonst wird es schwierig.
Nach einigen Wochen habe ich dann auch die ungeschriebenen Gesetze verstanden, dass man eben als Frau zuerst aussteigen muss, auch wenn man quasi über 5 Herren klettern muss, die einen aber ganz englischer Gentleman zuerst aussteigen lassen möchten. Auch sollte man auf keinen Fall auf einen Priority seat sitzen, das scheint eine offene Provokation zu sein, denn man kann Gift drauf nehmen, dass an der nächsten Haltestelle jemand darauf Anspruch erhebt.
Das Merkwürdigste sind aber die Schilder in den Bussen. Von mehr oder weniger höflichen Aufforderungen nicht mit dem Fahrer zu sprechen, ist der neuste Gag, dass Rollstuhlfahrer Vortritt vor Kinderwagen haben. Ich sehe in dieser Stadt ab und zu Buggys, selten aber im Bus aber was ich nie sehe sind Rollstuhlfahrer. Die könnten theoretisch im Bus sein, wie sie aber bei den massiven Bordsteinkanten rein und raus kommen würden, ist mir ein Rätsel. Auch wenn sie dann mal draussen wären, würden sie an der nächsten Kreuzung scheitern, denn die Stolperfallen und Abgründe des englischen Pflasters sind unberechenbar. Soviel zu Theorie und Praxis.
Versuche niemals, wirklich niemals, nicht zu bezahlen im Bus. Im grössten Gedränge versuchen immer wieder Spezialisten nicht zu bezahlen und sich am Busfahrer vorbei zu schmuggeln. Zuerst wird man zurück gepfiffen und angebrüllt und wenn man immer noch auf doof stellt, wird der Bus abgestellt und der Busfahrer kommt persönlich und schmeisst einen raus, unter dem Applaus aller anderen Passagieren. Dass das bis zu einer halben Stunde dauert, stört niemanden, schliesslich haben wir es dem wieder mal gezeigt.
Interessant finde ich auch, dass man im Bus am Abend ein anderes England sieht. Nicht die geschniegelten und getrimmten Business Typen, sondern meistens dunkelhäutige Immigranten, todmüde, die nach dem 2. oder 3. Job nach Hause fahren, aufgekratzte Studenten und Besoffene bunt gemischt. Wie auch in der Schweiz, sind Frauen mehrheitlich Benützerinnen des öffentlichen Verkehrs.
Also, probiert es aus, wenn ihr das nächste mal in London seit, einfach einmal die Oystercard hinhalten - günstiger als die sündhaft teuren Touristendoppeldecker sind sie allemal und wenn man oben den ersten Sitz ergattert, ist es fast wie auf so einem Bus. Die Panik, dass der Bus komplett anders ans Ziel kommt, als man sich das vorstellt, hat man schnell hinter sich und es gibt immer wieder was Neues zu entdecken.


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